Im September 2012 wurde das Projekt EnerTHERM am Fraunhofer-Zentrum für Hochtemperatur-Leichtbau HTL gestartet. Die Abkürzung EnerTHERM steht für Energieeffiziente Thermoprozesse. Im Projekt werden Verfahren entwickelt, mit denen die Energieeffizienz industrieller Wärmebehandlungen signifikant gesteigert werden kann, ohne dass die Produktqualität beeinträchtigt wird. Das Projekt wird mit insgesamt 9,5 Mio. Euro vom Bayerischen Wirtschaftsministerium gefördert. EnerTHERM ist in acht Teilprojekten strukturiert.
Im verarbeitenden Gewerbe werden allein in Deutschland jährlich ca. 1800 Petajoule für Prozesswärme aufgewendet. Dies entspricht etwa 20% des gesamten Endenergieverbrauchs der Bundesrepublik. Gut die Hälfte der Prozesswärme wird für Hochtemperaturprozesse mit Temperaturen über 1000°C genutzt. Mit der im Projekt EnerTHERM angestrebten Steigerung der Energieeffizienz für industrielle Wärmebehandlungen kann also der Endenergieverbrauch deutlich abgesenkt werden. Damit wird ein wichtiger Beitrag zu den weltweiten Klimaschutzzielen geleistet. Viele Wärmebehandlungen erfolgen mit Gasbeheizung, sodass eine Effizienzsteigerung direkt in geringere CO2-Emissionen umgesetzt wird. Aber auch für elektrisch beheizte Ofenanlagen wirkt sich eine Verbesserung der Energieeffizienz klimafreundlich aus. Liegt doch der Anteil fossiler Energieträger am Strommix in Deutschland immer noch bei mehr als 50%. Außerdem werden für eingesparte elektrische Energie weder teure Speicher noch Stromtrassen benötigt.
In vorangegangenen Projekten konnte das HTL bereits zeigen, dass bei der Sinterung technischer Keramiken die Energieeffizienz um bis zu 40% gesteigert werden kann, ohne dass sich die Qualität der Keramikteile verschlechtert[1]. Im Projekt EnerTHERM wird diese Zielsetzung auf die Wärmebehandlung anderer Werkstoffe erweitert. Dazu verfolgt das HTL einen ganzheitlichen Ansatz:
Bei Wärmebehandlungen sind zahlreiche Parameter zu optimieren. Die wichtigsten sind:
Wärmebehandlungen müssen sowohl aus der Ofenperspektive als auch aus der Perspektive des Erwärmungsguts optimiert werden. Ersteres bestimmt im Wesentlichen die Energieeffizienz und den Durchsatz der Prozesse, letzteres die Produktqualität. Gerade die Froschperspektive, d. h. die Sicht vom Erwärmungsgut auf den Wärmebehandlungsprozess, eröffnet wesentliche Möglichkeiten zur Verbesserung des Prozessverständnisses. Daraus können gezielt Maßnahmen zur Optimierung der Produkteigenschaften und zur Minimierung der Prozessstreuung abgeleitet werden. Das HTL misst in situ die Veränderung des Erwärmungsguts während der Wärmebehandlung, leitet daraus optimale lokale Erwärmungsbedingungen ab und setzt diese ofentechnisch um (Ofenanwender).
Die bei Wärmebehandlungen eingesetzten Feuerfestwerkstoffe (Ofenauskleidungen, Formenwerkzeuge, Halterungen, Kapseln etc.) müssen besondere Anforderungen erfüllen. Häufig unterliegen sie starken zeitlichen und räumlichen Temperaturänderungen. Während die Wärmekapazität bei allen periodisch geheizten Komponenten minimiert werden muss, ist der Wärmewiderstand besonders bei Ofenauskleidungen zu maximieren. Die Lebensdauer der Feuerfestbauteile geht in die Kostenberechnung ebenso ein wie in die CO2-Bilanz des Gesamtprozesses. Sie muss entsprechend sorgfältig maximiert werden. Das HTL entwickelt Feuerfestwerkstoffe und Beschichtungen für spezifische Hochtemperatur-Anwendungen. Außerdem entwickelt das HTL Hochtemperatur-Testverfahren zur Beurteilung der Einsatzeigenschaften von Feuerfestwerkstoffen.
Das HTL verfügt über einen mobilen Ofenmessstand, mit dem die Energieeffizienz und Leistungsfähigkeit von Produktionsöfen untersucht werden kann. Wärmeverluste können quantitativ bestimmt werden. Auch die Temperaturverteilung im Ofen und die Zusammensetzung der Ofenatmosphäre sind mit hoher Genauigkeit messbar (Ofenhersteller). Außerdem entwickelt das HTL gemeinsam mit den Zulieferern spezielle, besonders beanspruchte Komponenten für den Ofeneinsatz wie Heißgasklappen, -lüfter, Brennerkomponenten und Wärmetauscher (Ofenzulieferer). Für den Aufbau komplexer Komponenten aus Standardteilen mit einfacher Geometrie werden am HTL Hochtemperatur-Fügeverfahren für form- und stoffschlüssige Fügungen entwickelt.
Im Projekt EnerTHERM werden die Methoden zur Charakterisierung und zur Steigerung der Leistungsfähigkeit von Wärmebehandlungsverfahren entwickelt. Anschließend werden sie vom HTL gemeinsam mit Ofenanwendern, -herstellern und -zulieferern erprobt und in die Praxis umgesetzt.
[1] Raether, F. (Hrsg.): Energieeffizienz bei der Keramikherstellung, ISBN 978-3-8163-0644-3, VDMA-Verlag, Frankfurt, Germany (2013)